Infopapier

Es tut uns leid aber wir hatten vor kurzen eine kleine Homepagekrise daher sind die Grafiken und Formatierung des Infopapiers unbearbeitet.
Occupy Kiel Infopapier
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 2
2 Die Occupy Bewegung 3
3 Lohnentwicklung, Staatsfinanzen und Exportweltmeister 4
3.1 Die Wirtschaft wächst, die öffentlichen Finanzen bleiben auf der Strecke 4
3.2 Löhne sinken, Gewinne explodieren 5
3.3 Der Euro: Des Einen „Wettbewerbsvorteile“ sind schnell des anderen Schulden 7
3.4 Löhne haben viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, und mit volkswirtschaftlicher Logik 9
4 Geld und Schulden - eine Fakten basierte Polemik 11
4.1 Wie viel Reichtum können wir uns leisten? 11
4.2 Wie entwickeln sich die Geldvermögen in Deutschland? 13
4.3 Geldschöpfung 14
4.5 Hängen Netto Geldvermögen und Netto-Schulden-Entwicklung von bestimmten angeblich wirtschafts-kompetenten Parteien ab? 18
4.6 Vermögensverteilung in Deutschland 20
4.7 Warum wir eine Vermögensbremse brauchen 21
5 Die Chronologie der Krise 22
6 Internationale Finanzmärkte 28
7 Umgang der Industriestaaten mit Entwicklungsländern am Beispiel Afrika 29
7.1 Hunger und Armut 29
7.2 Verhängnisvolle Handelspolitik gegenüber Afrika 29
7.3 Nahrungsmittelspekulation 30
7.4 Landnahme 31
7.5 Gefangen in unfairen Schulden 32
7.6 Lukrative Waffenexporte 33
7.7 Unmenschliche Flüchtlingspolitik 35
7.8 Quellen: 36
8 Lösungsansätze 38
9 Wörterbuch Newspeak-Neoliberal 39
10 Generelle Systemkritik 46

1Einleitung

Dies Info Faktenpapier ist als Ergänzung zur Occupy Kiel Erklärung gedacht und soll eine Grundlage für fundiertere Diskussionen bilden, Argumente liefern und offene Fragen beantworten.
Die Absicht hinter diesem Papier besteht nicht darin, konkrete Programme oder Forderungen zu stellen, sondern ein Verständnis für die aktuelle Situation zu schaffen.
Es soll die Probleme unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems erklären und einen Überblick über Ursachen und Verlauf der momentanen Krise bieten.

2Die Occupy Bewegung

Die Occupy Bewegung hat ihren Ursprung im Arabischen Frühling. Am 18. Dezember 2010 gehen in Tunesien große Teile der Bevölkerung für einen friedlichen Sturz der Regierung auf die Straßen.
In den folgenden Wochen breitet sich die Bewegung weiter in der arabischen Welt aus. Die Besetzung öffentlicher Plätze nimmt ihren Anfang in Ägypten auf dem Tahrir Platz. "Besetzen" ist die Bedeutung des englischen Wortes occupy.
„#OCCUPYWALLSTREET. Seid ihr bereit für einen Tahrir-Moment? Strömt am 17. September nach Lower Manhattan, baut Zelte, Küchen, friedliche Barrikaden und besetzt die Wall Street.“
– Adbusters Website am 13. Juli 2011
Die Bewegung wird unter anderem von der Aktivistengruppe "Adbusters" initiiert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Bewegungen des Informationszeitalters voranzubringen. Sie rufen bereits im Sommer dazu auf, am 17. September den Zucotti Park an der Wall Street in New York zu besetzen. Bereits am ersten Tag finden sich über 1000 Menschen im Zucotti Park ein um auf die Missstände im Finanzsystem aufmerksam zu machen. In den folgenden Wochen wächst die Zahl der Protestierenden ständig an. Die Besetzer machen mit verschiedensten Aktionen auf sich aufmerksam und sorgen so dafür, dass sich die Occupy Bewegung bald über die ganze Welt ausbreitet. Am 15. Oktober finden weltweite Demonstrationen und Protestaktionen statt. In Deutschland nehmen über 40.000 Menschen an den Demonstrationen in Frankfurt, München, Düsseldorf, Köln, Hamburg, Kiel und vielen anderen Städten teil. Daraufhin entstehen auch in Deutschland die ersten Occupy Camps. Weltweit werden mittlerweile über 1600 öffentliche Plätze besetzt.



Die Occupy Bewegung ist parteiunabhängig und möchte eine breite Masse der Bevölkerung mobilisieren, dabei sollen alle Gesellschaftlichen Schichten angesprochen werden. Sie möchte die „99%“ der Menschen die von der ungerechten Wohlstandsverteilung kaum profitieren vereinen und wieder für mehr Politik Interesse werben. Vor allem soll auf die negativen Auswirkungen unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems aufmerksam gemacht werden. Hierbei sollen keine fixen Parteiprogramme oder Forderungen im Vordergrund stehen sondern jeder wieder für eine Mitgestaltung seiner Gesellschaft begeistert werden. Innerhalb der Bewegung fordern viele mehr Inhalte und konkrete Forderungen, andere wiederum möchten lieber weiterhin offen und allgemein bleiben. Außerdem gibt es eine ständige Diskussion zwischen denen die mehr Regulierung und Reform fordern und denjenigen die grundlegend systemkritisch sind und den Kapitalismus als gescheitert ansehen.

3Lohnentwicklung, Staatsfinanzen und Exportweltmeister

3.1Die Wirtschaft wächst, die öffentlichen Finanzen bleiben auf der Strecke

Die Wirtschaft in Deutschland fast jedes Jahr. Im Jahr 2010 konnten so z. B. rund 6% mehr an neuen Werten geschaffen werden als noch im Jahr 2005. Verglichen mit 1995 hat sich die Wirtschaftsleistung (= B
(Quellen: BIP: Statistisches Bundesamt; Steuereinnahmen: Bundesministerium der Finanzen)

IP) bis 2010 sogar um 20% erhöht [G1, obere Kurve].



Wie kommt es dann, dass so vieles immer weniger zu werden scheint und die Schulgebäude verfallen? Die Antwort ist einfach: Schulgebäude werden vom Staat finanziert, dessen Einnahmen wachsen jedoch nicht zwangsläufig, wenn die deutsche Wirtschaft wächst, weil der Staat erst durch Steuern und Sozialabgaben (Rentenversicherung, Krankenversicherung etc.) am Wirtschaftswachstum beteiligt werden muss.
Der Anteil jedoch, den Steuern und Sozialabgaben am gesamten Erwirtschafteten ausmachen (= Abgabenquote), geht seit Jahren zurück1, somit wächst zwar die Wirtschaft, nicht jedoch die Staatseinnahmen [G1, untere Kurve].
Dass die öffentliche Hand für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben, die der gesamten Bevölkerung dienen, nicht nur anteilig immer weniger zur Verfügung hat, sondern es sich insgesamt bei Deutschland um einen eher schlanken Staatssektor handelt, zeigt auch der internationale Vergleich [G2]. Gleichwohl wird gern Gegenteiliges behauptet, um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen, damit diese über den Staat weniger am Wirtschaftswachstum teilhat.




(Quelle: Bundesministerium der Finanzen; Anmerkung: Japan, Polen, Niederlande: Stand von 2007)

3.2Löhne sinken, Gewinne explodieren

Wem kommen jedoch die Anteile am Wirtschaftswachstum zu Gute, an denen der Staat nicht mehr beteiligt wird?
Jedenfalls nicht den Rentnern und Arbeitslosengeldempfängern (wie manchmal behauptet wird), denn hier hat es durch die Rentenreformen und die Hartz-Reformen insgesamt massive Kürzungen gegeben, außerdem müsste der Staat ja die Gelder erst einmal haben, um sie an diese Gruppen weiterverteilen zu können.
Aber auch die abhängig Beschäftigten, und somit die Mehrheit der Bevölkerung, erhält diese Anteile nicht, denn die Löhne in Deutschland sanken (eben trotz Wirtschaftswachstums) über Jahre. Dies zeigt besonders deutlich ein internationaler Vergleich. Während in fast allen wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern die Löhne vom Jahr 2000 bis 2009 stark gestiegen sind, sind sie in Deutschland gesunken [G3].



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(Quelle: Global Wage Report (ILO); Anmerkung: inflationsbereinigt, ° bezogen nur auf Privatsektor, * bezogen nur auf Vollzeitbeschäftigte)


Alternativ kann man die Entwicklung der Löhne auch an ihrem Anteil am Volkseinkommen beobachten. Das Volkseinkommen bezeichnet das gesamte Einkommen, das die Wirtschaftsteilnehmer eines Landes erzielen. Jenen Anteil, den die Unternehmer und Geldbesitzer hiervon erhalten, bezeichnet man als Bruttogewinnquote. Den Anteil, den die Lohnempfänger erhalten, bezeichnet man als Bruttolohnquote. Diese Bruttolohnquote ist seit Jahren rückläufig2. Während gegenüber 2000 die Bruttolöhne gesunken sind, sind die Bruttogewinne bis 2008 um ca. 40% gestiegen [G4]. 2008 und 2009 kam es aufgrund der akuten Finanzkrise zwar zu einem vorläufigen Einbruch der Gewinne, doch kehrte sich diese Tendenz bereits 2010 wieder um.
Da die Löhne und Gehälter der abhängig Beschäftigten einen erheblichen Anteil der Steuern und Abgaben ausmachen, wird eine der größten Einnahmequelle des Staates somit beschnitten. Auf der anderen Seite gleichen die in den letzten Jahren deutlich gesenkten Steuern auf Unternehmen und Vermögen diese Einbußen nicht aus3. Somit wächst die deutsche Wirtschaft zwar, doch das Wachstum entfällt auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen, auf die der Staat nicht so sehr zugreift, wie auf die stagnierenden Lohneinkommen. Auf diese Weise wird die Mehrheit der Bevölkerung also vom Wertzuwachs abgekoppelt, obwohl sie es ist, die den eigentlichen Wertzuwachs erzeugt.




(Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage der Bruttolohn- und Bruttogewinnquoten gemäß WSI-Verteilungsbericht 2010, *vorläufiges Ergebnis aufgrund 1. Halbjahres)

3.3Der Euro: Des Einen „Wettbewerbsvorteile“ sind schnell des anderen Schulden

Wir wissen jetzt also, wieso Deutschland immer reicher wird, trotzdem aber Infrastruktur verfällt und die Mehrheit der Bevölkerung „den Gürtel enger schnallen“ muss. Die sinkenden Löhne in Deutschland haben aber noch mehr Auswirkungen, die eng mit der Frage verknüpft sind, wer eigentlich von den steigenden Exportüberschüssen Deutschlands profitiert und wie dies mit der neuesten Krise in Europa zusammenhängt.
Wie vielen sicherlich bekannt ist, exportiert Deutschland seit Jahren viel mehr, als es importiert (u.a. deswegen hatte Deutschland den Titel „Exportweltmeister“ inne und steht jetzt immer noch an der Spitze hinter China). Seit 1999 ist dies sogar der wesentliche Grund dafür, dass die Wirtschaft in Deutschland gewachsen ist. Deutsche Unternehmen haben also seit über 10 Jahren mehr ans Ausland verkauft als Waren im Ausland gekauft. Länder, die eine andere Währung als Deutschland haben, müssen dazu zunächst ihre Währung in Euro umtauschen, denn deutsche Unternehmen wollen natürlich in Euro bezahlt werden. Dies führt normalerweise dazu, dass die Währung des exportstarken Landes sehr stark nachgefragt wird, der Wert dieser Währung steigt und man heirdurch z.B mehr Yen oder Dollar pro Euro bezahlen muss. Dies führt wiederum dazu, dass die Produkte des exportstarken Landes teurer werden, so dass andere Länder weniger von diesem Land kaufen, wodurch der Exportüberschuss meist automatisch zurückgeht.
Da Deutschland aber den größeren Anteil seiner Exporte in Länder mit der gleichen Währung tätigt (nämlich in den Euroraum), ist dieser Mechanismus ausgeschaltet. Da Deutschland und z. B. Spanien nun die gleiche Währung haben, kann Spanien die starken deutschen Exportüerschüsse in das eigene Land nicht mehr verhindern. Dieser Mechanismus zeigt sich auch daran, dass seit der Einführung des Euros die deutschen Exportüberschüsse übermäßig in Euroländer zunahmen. Gegenüber den Ländern, die keinen Euro eingeführt haben, konnte Deutschland hingegen weniger Wachstum bei den Exportüberschüssen erzielen [G5].
(Quelle: Bundesbank: Außenwirtschaft/Zahlungsbilanz/Warenhandel mit dem Ausland; Statistisches Bundesamt: Verbraucherpreise (VPI); eigene Berechnungen)
Hinzu kam, dass wie oben bereits dargestellt, die Löhne in Deutschland stark gefallen sind, während sie in allen anderen Euroländern gestiegen sind. Während die anderen Staaten der Eurozone also die arbeitende Bevölkerung an der wachsenden Wirtschaft beteiligt haben, war dies in Deutschland nicht der Fall. Auf diese Weise konnte Deutschland also seine Wettbewerbsposition innerhalb der Eurozone auf Kosten der eigenen arbeitenden Bevölkerung ausbauen.
Es lässt sich also festhalten, dass die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Lohn verzichten, sich dadurch für die Herstellung äußerst wettbewerbsfähiger Produkte hergeben, die dann viele Eurozonenstaaten geradezu nieder konkurrieren. Die Euroländer können sich dagegen wie gezeigt aufgrund der gemeinsamen Währung nur sehr schwer wehren.
Wie hängt dies nun mit der derzeitigen Staatsschuldenkrise zusammen? Wie bereits gesagt, kaufen die Euroländer viel mehr Produkte von Deutschland als Deutschland von diesen Ländern. Diese Käufe müssen aber irgendwie finanziert werden, was nur passieren kann, indem die deutsche Volkswirtschaft diesen Ländern Kredite gewährt (denn gegen etwas anderes eintauschen will Deutschland die Waren ja nicht). Diese Kredite können nur dann jemals zurückgezahlt werden, wenn Deutschland einmal weniger exportiert, als importiert (denn nur dann hätten die anderen Länder etwas, was sie Deutschland als Rückzahlung des Kredites geben könnten). Da dies aber seit mehr als 10 Jahren nicht der Fall ist, geraten die anderen Länder der Eurozone zunehmend in Schwierigkeiten, ihre Schulden gegenüber Deutschland zurückzuzahlen.
Nicht verwechseln darf man hierbei übrigens die Staatsschulden und die Schulden einer Volkswirtschaft: Staatsverschuldung bedeutet, dass der Staatssektor eines Landes gegenüber irgendjemandem verschuldet ist. Die Verschuldung einer Volkswirtschaft als Gesamtbilde bedeutet hingegen, dass ihre einzelnen Elemente (Unternehmen, Privatpersonen und Staatssektor) in der Summe gegenüber dem Ausland verschuldet sind.
Deutschland ist eine Volkswirtschaft, in der lediglich der Staatssektor verschuldet ist, die anderen Elemente (Unternehmen und Privatpersonen) weisen jedoch ein Nettovermögen gegenüber dem Ausland auf. Griechenland wiederum weist sowohl eine hohe Staatsverschuldung auf, als auch eine hohe Verschuldung der übrigen volkswirtschaftlichen Elemente gegenüber dem Ausland, was eine Folge der oben dargestellten Situation ist.

3.4Löhne haben viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, und mit volkswirtschaftlicher Logik

Fassen wir also zusammen: Die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verzichten als einzige in den Euroländern seit vielen Jahren auf reale Lohnsteigerungen, wodurch deutsche Produkte im Ausland günstiger werden als Inlandsprodukte. Durch die gemeinsame Währung haben die Euroländer keine Chance, sich gegen die Exportstärke Deutschlands zu wehren. Um die Produkte von Deutschland zu kaufen, leihen sich die ausländischen Volkswirtschaften Geld von Deutschland, was inzwischen zu einer Schuldenkrise geführt hat. In der Schuldenkrise werden die Schulden von der deutschen Bevölkerung übernommen, was also bedeutet, dass die deutschen abhängigen Beschäftigten nicht nur auf ihren Lohn verzichten, sondern auch noch durch ihre Steuergelder die Profite der deutschen Exportunternehmen ermöglichen.
Die Lösung dieser grotesken Situation ist verblüffend einfach: Kräftige Lohnsteigerungen hierzulande würden deutsche Produkte für das Ausland wieder teurer machen, die deutschen Exportüberschüsse senken und der Verschuldung anderer Volkswirtschaften gegenüber Deutschland ein Ende setzen. Dies muss der deutschen Wirtschaft nicht einmal schaden, da die sinkende Auslandsnachfrage durch eine verstärkte Nachfrage im Inland ersetzt werden könnte, denn die Bevölkerung hat ja jetzt durch höhere Löhne mehr Geld.
Lohnsteigerungen in Deutschland würden also zur Verbesserung der Situation auf zwei Weisen gleichzeitig beitragen: Die Eurokrise würde deutlich entschärft und wie weiter oben dargestellt würde sich auch die Finanzierung des deutschen Staates verbessern. Zusammen mit einer stärkeren Besteuerung großer Vermögen und Einkommen ließen sich also wesentliche Probleme zumindest Deutschlands akut entschärfen.



Quellen:
„Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2009“, BMF, Ausgabe 2009, S. 10
Global Wage Report, Datenblatt Deutschland 2010/11, International Labour Organization
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=wirtschaftsdaten&func=row&tr=BQ1720
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4158/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steuerschaetzung__einnahmen/Steuereinnahmen/0601011a6003.html
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Inlandsprodukt/Tabellen.psml
Monatsbericht des BMF, März 2011, S. 88
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 4/2009, S. 59
„Wohlstand in Deutschland – die Entwicklung des Geldvermögens“, Bundesverband deutscher Banken
„Zukunftsgefährdung statt Krisenlehren“ – WSI Verteilungsbericht 2010

4Geld und Schulden - eine Fakten basierte Polemik

Zusammenfassung:
Der Reichtum in Deutschland ist extrem ungleich verteilt. Zudem stehen den Geldvermögen genau gleich hohe Schulden gegenüber, die von der Mehrheit mit Zinszahlungen zu bedienen sind. Die großen Geldvermögen Weniger stellen daher für die Mehrheit der Bevölkerung eine große Belastung dar. Übermäßiger Reichtum Weniger erzeugt ganz reale und konkrete Armut für die Mehrheit.

4.1Wie viel Reichtum können wir uns leisten?

Deutschland ist ein reiches Land – so heißt es – dennoch haben die meisten Menschen immer weniger Geld zum Leben und es verrotten Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Patienten[4] und Altersheiminsassen. Sozialleistungen werden gekürzt oder gestrichen – vorzugsweise bei Menschen[5], bei denen keine Gegenwehr zu erwarten ist. Auch die Alters-Armut nimmt dank Riester[6] Rente w
Abbildung 1: Wie das Heruntersickern des Reichtums in der Praxis funktioniert.

ieder zu.
Uns wurde immer wieder das Propaganda-Märchen erzählt, dass der Reichtum der so genanten “Leistungsträger” von oben nach unten sickere[7] und es uns daher um so besser ginge, je mehr Geldvermögen es in Deutschland gäbe.

Uns wurde auch immer wieder mit der Neid-Debatten-Keule eingebläut, diese Propaganda-Lüge nicht in Frage zu stellen. Die genialste Leistung dieser Propaganda allerdings ist, dass sich fast jeder für beinahe reich hält[8].
Das Dumme an Lügen ist, dass sie die sprichwörtlichen kurze Beine haben und daher irgendwann von der Wahrheit eingeholt werden. Wenige Lügner besitzen zur Rede gestellt die menschliche Größe, sich und den anderen einzugestehen, dass sie um des eigenen Vorteiles willen getäuscht und betrogen haben. Eine übliche Reaktion von überführten Lügnern hingegen sind noch mehr und noch phantastischere Lügen aus der neoliberalen Wundertüte:
Wir seien auf dem richtigen Weg in eine bessere Zukunft, aber der Arbeitsmarkt sei noch zu reguliert und “verkrustet”, man müsse noch mehr privatisieren, die Steuern seien noch zu hoch und eigentlich sollten Sozialleistungen ganz abgeschafft werden um mehr “Anreize” zu schaffen. Das ist übrigens die Agenda 2020[9] - erarbeitet im IZA, dessen Direktor für Arbeitsmarktpolitik Hilmar Schneider den Vorschlag machte, Arbeitslose zu versteigern[10] – so wie früher auf dem Sklavenmarkt eben.
Bei all diesen Wohltaten darf natürlich die Geldwertstabilität nicht unerwähnt bleiben. Warum diese so wichtig ist, erklärte der ehemalige englische Notenbanker Sir Alan Budd (Bank of England) unter Margaret Thatcher so:
„Viele haben nie (…) geglaubt, dass man mit Monetarismus[11] die Inflation bekämpfen kann. Allerdings erkannten sie, dass [der Monetarismus] sehr hilfreich dabei sein kann, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Und die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war mehr als wünschenswert, um die Arbeiterklasse insgesamt zu schwächen. […] Hier wurde – in marxistischer Terminologie ausgedrückt – eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, die die industrielle Reservearmee wiederherstellte, und die es den Kapitalisten fortan erlaubte, hohe Profite zu realisieren.“ (The New Statesman, 13. Januar 2003, S. 21) [12,13]
Einerseits schwadroniert das IZA über den „Moral hazard“ in der Arbeitslosenversicherung und „Eigenverantwortung“ - und andererseits wird die Massen-Arbeitslosigkeit gezielt und vorsätzlich durch angewandten Monetarismus erzeugt.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - dann bleibt der faulige Geschmack für den ganzen Tag! So etwas nenne nenne ich perfide.

Ob die Agenda 2020 in Kombination mit Monetarismus auch die Agenda einer gewissen teflonbeschichteten Uckermärkischen Hausfrau[14] ist?

4.2W
Abbildung 2: Entwicklung der Summe aller Netto-Geldvermögen und der Summe aller Netto-Schulden bis zum Jahr 2010 für Deutschland. Bestand zum Jahresende. “Statistischer Sonderbericht 4” der Deutschen Bundesbank.

ie entwickeln sich die Geldvermögen in Deutschland?


Die Summe der Geldvermögen wächst eindeutig, wie aus dem jährlichen “Statistischen Sonderbericht 4”[15] der Deutschen Bundesbank zu ersehen ist.
Ist das kein Grund zur Freude? Wir sind nicht nur Ex-Exportweltmeister oder Papst, wir werden auch noch jedes Jahr reicher!
Es gibt mindestens zwei Probleme daran:
  1. Der Summe der Geldvermögen steht stets eine gleich große Summe von Schulden gegenüber und diese Schulden sind mit Zinsen und Tilgungen zu bedienen – von der Mehrheit der Bevölkerung.
  2. Das Geldvermögen ist extrem ungleich verteilt. Vereinfacht gesagt: Das Geld haben die Reichen und Superreichen und die Schulden hat der Rest der Bevölkerung. Aus “Entwicklung der Netto-Geldvermögen und Schulden bis zum Jahr 2010” ist gut zu sehen, dass die Reichen und Superreichen ihr Geld-Vermögen ständig vermehren. Als zwingende Folge steigen dadurch die Schulden für die “anderen”



Problem 1 ist einfach dadurch bedingt, wie Geld entsteht.



Ein weit verbreiteter Aberglaube ist: Geld vermehrt sich durch Zinsen. Oder: Geld vermehrt sich durch Lohnarbeit oder unternehmerische Tätigkeit. Oder: Geld vermehrt sich durch Spekulation im Börsencasino.
Allen zuvor beschriebenen vermeintlichen Geldvermehrungsmethoden ist eines gemeinsam: Bereits existierendes Geld wird von einem Wirtschaftsteilnehmer zum anderen umverteilt.
Ein Beispiel, das jeder kennt ist die Lohnzahlung. Der Arbeitnehmer hat nach der Überweisung des Lohnes genau das Geld mehr aus seinem Konto, das der Arbeitgeber jetzt weniger hat. Ganz offensichtlich hat sich durch die Lohnzahlung die Geldsumme im System nicht geändert.
Das gleiche gilt auch für die Börse – wie dieser Witz gut illustriert:
Ein Anleger fragt seinen Anlageberater: "Ist jetzt wirklich all mein Geld weg? Alles weg?" "Aber nein, ihr Geld ist nicht weg, es gehört jetzt nur jemand anderem!"[16]
Wie kann also die Summe der Geldvermögen aller Akteure wachsen?
Die permanente “Vermehrung” erfolgt durch die Geldschöpfung der Banken.

4.3Geldschöpfung

Um Geldschöpfung bei Kreditvergabe, Geldvernichtung durch Tilgung etc. zu verstehen, ist es notwendig, die Grundlagen der Bankbilanz zu verstehen.
Ähnlich wie eine Unternehmensbilanz[17] ist die Bankbilanz[18] aufgeteilt in linke Seite (Aktiva) und die rechte Seite (Passiva), so wie in Abbildung 3: „Summierte Aktiva und summierte Passiva der deutschen Kreditinstitute“ zu sehen.

Abbildung 3: Summierte Aktiva und summierte Passiva der deutschen Kreditinstitute (ohne deutsche Bundesbank), Dezember 2006, in Mrd. €, aus „DIE BANKEN ALS GELDPRODUZENTEN“ geld2_04.pdf, bundesbank.de




In der Bankbilanz tauchen ein paar Begriffe auf, die nicht unbedingt sofort einleuchten:
  • Nichtbanken: Aus der Sicht einer Bank sind Menschen wie Du und Ich, aber auch Unternehmen - keine Bank. Daher die Bezeichnung „Nichtbank“
  • Einlagen: Hiermit sind keine Schuh- oder Suppeneinlagen gemeint sondern die Summen auf den Giro- und Sparkonten der „Nichtbanken“.
    „Einlage“ suggeriert, jemand hätte sein Bargeld zur Bank gebracht und das sei jetzt die Einlage. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Größtenteils entstehen Einlagen durch Überweisungen und durch Kreditvergabe. Die Einlagen sind aus Sicht des Sparers etwas von Wert. Aus der Sicht der Banken sind es Schulden (Verbindlichkeiten) gegenüber den Sparern.
  • Barreserve: Das sind die Bargeldbestände im Banktresor und den Kassen und anders als man bei „Bar“ vermuten würde – die unbaren Zentralbankguthaben der Bank. Die Barreserve wird benötigt, wenn ein Kunde Bargeld von seinem Konto abheben will, oder wenn er eine Überweisung zu einer anderen Bank durchführen will. Laufen viele Kunden gleichzeitig zur Bank, und heben ihr Geld ab („bank run“), dann reicht die 2% gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve nicht. Das selbe passiert auch wenn viele Kunden ihr Geld an eine andere Bank überweisen.
  • Kredite: Das sind die Forderungen der Banken an Menschen, Unternehmen und ganze Staaten. Kredite sind aus der Sicht der Banken etwas von Wert. Je mehr Verschuldung und Kredite desto besser. Denn Kredite müssen mit Zinszahlungen und Tilgungs-Raten bedient werden. Gelingt dies dem Schuldner nicht mehr, dann wird gepfändet und vollstreckt.



In der Bilanz gilt zu jedem Zeitpunkt: Die Summe der Aktiva ist gleich der Summe der Passiva.
Die Einlagen (Sparguthaben) sind auf der rechten Seite (Passiva) und die Schulden (z.B. des Staates) sind auf der linken Seite (Aktiva). Wenn jetzt durch die Schuldenbremse das Reduzieren der Staatsschulden Verfassungsrang bekommen hat, dann sollte man such die Frage stellen, wer denn statt des Staates die Schulden machen soll. Was höre ich da von der hinteren Reihe? Schuldenmachen ist unseriös? Wenn alle Schulden zurückgezahlt sind, dann ist die Schulden-Krise gemeistert und es wird uns allen besser gehen?
Herr laß Hirn vom Himmel regnen! Noch einmal zum Mitschreiben und begreifen:
In der Bilanz gilt zu jedem Zeitpunkt: Die Summe der Aktiva ist gleich der Summe der Passiva.
Die Ursache dafür ist der Aufbau von Buchungssätzen. Es gibt nur vier Grundtypen der Bilanzveränderung (alle komplizierteren Buchungssätze z.B: Fakturierung lassen sich aus mehreren einfachen Buchungssätzen zusammensetzen).
Die grundlegenden Buchungssätze sind:
  • Bilanzverlängerung
  • Bilanzverkürzung
  • Aktivtausch
  • Passivtausch

4.3.1Bilanzverlängerung und Geldschöpfung durch Kreditvergabe

Angenommen ein Kunde geht zu seiner Bank und möchte einen Kredit über 10000,–€ haben, der ihm auch, da Bonität und Sicherheiten vorliegen, gewährt wird, dann wird dieser Kredit als Bilanzverlängerung verbucht: Auf der Aktiva-Seite kommen 10000,–€ an Forderungen der Bank gegenüber dem Kunden dazu (Aus Sicht des Kunden sind dies seine Verbindlichkeiten gegenüber der Bank).
Auf der Passiva-Seite kommen auch 10000,–€ dazu (als “Plus” auf dem Girokonto), allerdings als Forderungen des Kunden gegenüber der Bank (Aus Sicht der Bank sind dies Verbindlichkeiten gegenüber dem Kunden)



4.3.2Passivtausch

[in Arbeit]

4.3.3Aktivtausch

[in Arbeit]

4.3.4Bilanzverkürzung und Geldvernichtung durch Kreditrückzahlung

[in Arbeit]

4.4

4.5Hängen Netto Geldvermögen und Netto-Schulden-Entwicklung von bestimmten angeblich wirtschafts-kompetenten Parteien ab?

In Abbildung 4 ist zu sehen, dass es vollkommen gleich ist, ob schwarz, grün oder rot regiert. Die Summe aller Netto-Geldvermögen ist zu jedem Zeitpunkt genau so groß wie die Summe aller Netto-Schulden. Außerdem wachsen Geldvermögen und Schulden gleichermaßen.
Auch eine „Schuldenbremse“ im Grundgesetz wird daran nichts ändern, weil G
Abbildung 4: Legislaturperioden und Entwicklung der Summe aller Netto-Geldvermögen und der Summe aller Netto-Schulden bis zum Jahr 2010 für Deutschland.
Zahlen: “Statistischer Sonderbericht 4” der Deutschen Bundesbank.
Legislatur-Perioden: wikipedia, Eigene Grafik

eld und Schulden durch die Bankbilanzen aneinander gekoppelt sind und nicht durch das Grundgesetz oder den Willen irgendwelcher Politiker.
Politiker, die allen Ernstes glauben, die Geldvermögen seien unabhängig von den Schulden, sind möglicherweise vollkommen ahnungslos:
Ich hatte vor einiger Zeit Gelegenheit, im privatem Rahmen mit einem höheren Beamten der chinesischen Administration zu sprechen.Angesichts der Krise in Europa und der aus seiner Sicht offenbar interessanten Versuche der dt. Regierung, der Krise Herr zu werden, fragte er mich, ob die Mitglieder der dt. Regierung für ihre jeweiligen Aufgaben qualifiziert sein müssen bzw. ob sie eine Ausbildung erhalten haben. Jeder, der nur ein wenig Ahnung von China hat, weiß, welch große Bedeutung Bildung dort hat. Stellt jemand dort die Frage, ob eine Person überhaupt qualifiziert ist, nachdem er deren Arbeitsergebnisse gesehen hat, bedeutet dies, dass die entsprechende Person für völlig inkompetent gehalten wird. Ich kam also nicht umhin, meinem Bekannten zu erklären, dass Ministerposten in Europa streng nach dem Prinzip vergeben werden, dass der Aspirant idealerweise noch nie im Leben etwas mit dem entsprechenden Fachgebiet zu tun hatte, damit er oder sie völlig unbelastet an die große Aufgabe herangehen kann. Von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen wurden auch alle dt. Regierungsposten selbstverständlich nach diesem Prinzip vergeben. Mein Bekannter begann zu lächeln, dankte mir und meinte: „Nun verstehe ich die deutsche Politik besser!“[19]
Zum Glück werden die deutschen Politiker aber beraten von unabhängigen und neutralen Experten wie Josef Ackermann (Vorstands Vorsitzender der Deutschen Bank[20]). Als Dankeschön gibt es dann eine Geburtstagsparty im Kanzleramt[21] und ein paar hundert Milliarden Euros für Bankenrettungen auf Kosten des Steuerzahlers.



4.6Vermögensverteilung in Deutschland

Das SOEP erfasst verschiedene Vermögenskomponenten: selbstgenutzter und sonstiger Immobilienbesitz (unter anderem unbebaute Grundstücke, Ferien- oder Wochenendwohnungen), Geldvermögen (Sparguthaben, Spar- oder Pfandbriefe, Aktien oder Investmentanteile), Vermögen aus privaten Versicherungen (Lebens- oder private Rentenversicherungen, Bausparverträge), Betriebsvermögen (Besitz oder Beteiligung an einer Firma, Geschäft oder Betrieb), Sachvermögen in Form wertvoller Sammlungen wie Gold, Schmuck, Münzen oder Kunstgegenstände (ohne Pkw und Hausrat) sowie Schulden (Konsumenten- und Hypothekenkredite). Nach Abzug der Verbindlichkeiten vom Bruttovermögen erhält man das wohlfahrtsökonomisch relevante Nettogesamtvermögen.[22]
B
Abbildung 5: Vermögensverteilung in Deutschland, Erwachsene Bevölkerung nach Zehnteln, Anteile am Gesamtvermögen in Prozent, 2002 und 2007,
Quelle: SOEP, bpb.de, eigene Grafik

edingt durch Steuergeschenke an die Reichen und Kapitalakkumulation durch ganz normale Wirtschaftsprozesse werden die Reichen immer reicher und die restlichen 90% immer ärmer. Die restlichen 90% gehören längst zur kaufkraft-befreiten Unterschicht[23] werden aber durch Brot und Spiele ruhiggestellt.

4.7Warum wir eine Vermögensbremse brauchen

„Warum die Notwendigkeit, die Staatsschulden zu reduzieren, nur die halbe Wahrheit ist - Denn wer Schuldenbremse sagt, muss auch Vermögensbremse sagen“[24]
Abbildung 6: Finanzmathematiker Schachermayer erklärt, was die ökonomische Logik gebietet, aber viele Politiker nicht wahrhaben wollen: Schulden und Guthaben sind "siamesische Zwillinge"



Vielleicht wäre es für unsere angeblich wirtschafts-kompetenten deutsche Politiker hilfreich, das kleine Einmaleins des Kapitalismus zu kennen. Robert von Heusinger hat das sehr schön erklärt:

Es wäre wunderbar, wenn die Staaten ihre durch die Bankenkrise zerrütteten Finanzen in Ordnung bringen könnten. Doch das können sie nicht alleine. Dazu brauchen sie die Hilfe der Unternehmen. Letztere müssen wieder investieren und sich verschulden, damit die Staaten von ihrer Neuverschuldung herunterkommen.
Um das zu verstehen, muss man das kleine Einmaleins des Kapitalismus kennen. Es besagt dreierlei: Erstens, das Nettogeldvermögen ist immer null. Es gibt immer genauso viel Vermögen wie es Schulden gibt. Weil das so ist, kann zweitens der eine nur dann sparen, wenn sich ein anderer im selben Umfang bereit ist zu verschulden.[25]



5Die Chronologie der Krise

Die globale Finanzkrise, die 2007 als Immobilienkrise auf dem Subprime-Markt in den USA begann, hat fast überall auf der Welt zu einem deutlich abgeschwächten Wirtschaftswachstum oder zur Rezession geführt. Und ist wohl mit einer der Ausgangspunkte der Occupy Bewegung.










Auswirkungen der Weltfinanzkrise in den Jahren 2007-2009
   Länder mit offizieller Rezession (zwei stagnierende Quartale)
   Länder mit inoffizieller Rezession (ein Quartal)
    Länder mit einem wirtschaftlichen Abschwung von mehr als 1,0%
   Länder mit einem wirtschaftlichen Abschwung von mehr als 0,5%
   Länder mit einem wirtschaftlichen Abschwung von mehr als 0,1%
   Länder mit positiver wirtschaftlicher Entwicklung
(Quelle: wikipedia)



5.1Sommer 2007 bis Frühjahr 2008
Aus der US-Krise wird eine weltweite Krise

Mit Bear Stearns fängt die Eskalation der Finanzmarktkrise an. Im Sommer 2007 wird die Schieflage zweier Hedgefonds (spezielle Art von Investmentfonds) der Bank bekannt, in Deutschland kriseln IKB (Deutsche Industriebank) und diverse Landesbanken, in Großbritannien wird Northern Rock verstaatlicht.

5.2Sommer 2008
Das Ende der US-Investmentbanken

Die Krise nimmt dramatische Ausmaße an: Banken brechen zusammen, selbst große Institute wie Lehman sind nicht mehr sicher. Die Börsen befinden sich im freien Fall, der Dow Jones verbucht den größten Tagesverlust seit dem 11. September 2001.

5.3Oktober 2008
Der Monat der Rettungspakete

Nach und nach stellen die Regierungen weltweit bis dahin für unvorstellbar gehaltene Summen zur Rettung der Banken bereit. Insgesamt geht es um Billionenbeträge, von denen ein Großteil für Bürgschaften zur Verfügung gestellt wird. Allein das deutsche Paket umfasst 480 Milliarden Euro.

5.4November 2008
Die Konjunktur kippt

Wachstumsprognosen werden allerorts gesenkt und Deutschland steckt in einer Rezession. Nach den Rettungspaketen für die Banken werden nun weltweit Konjunkturpakete geschnürt. Dennoch kriselt es in weiteren Branchen.

5.5Januar 2009
Der Staat steigt bei der Commerzbank ein

Konjunkturpakete sollen die Kaufkraft der Bürger stärken und den Unternehmen helfen. In Deutschland wird die Commerzbank teilverstaatlicht und die Abwrackprämie sorgt für krzfristige Lichtblicke in der Autoindustrie. Die Bundesregierung schließt eine Verstaatlichung der HRE nicht mehr aus.

5.6Februar 2009
Wird die HRE verstaatlicht?

Mit bislang 102 Milliarden Euro musste die Hypo Real Estate gestützt werden - ohne dass der Staat im Gegenzug Anteile übernommen hätte. Nun denkt die Bundesregierung das bislang Undenkbare: Soll die HRE verstaatlicht werden? In den USA trat das lange diskutierte Konjunkturpaket in Kraft.

5.7April 2009
Globaler Kampf gegen die Finanzkrise

Die Weltwirtschaft rutscht immer tiefer in die Krise. Auch in Deutschland häufen sich Negativmeldungen. Der Weltfinanzgipfel versucht mit gemeinsamen Beschlüssen die Krise in Griff zu bekommen.

5.8Juli 2009
Startschuss für die Bad Banks

Nach langen Verhandlungen macht die Große Koalition im Bundestag den Weg für die Bad Banks frei. Sie sollen den Banken ihre Schrottpapiere abkaufen.

5.9Oktober 2009
Für Quelle kommt das endgültige Aus

Der Bund drängt bei der Hypo Real Estate die letzten Kleinaktionäre aus dem Unternehmen. Die Immobilienbank wird vollständig verstaatlicht. Die restlichen Anteilseigner erhalten eine Zwangsabfindung. Für das traditionsreiche Versandhaus Quelle kommt dagegen das endgültige Aus.

5.10Februar 2010
Griechische Krise

Die Wirtschaftskrise setzt Griechenland zu. Jetzt überwacht die EU-Kommission den Defizitsünder. Hochrechnungen hatten es schon erahnen lassen, nun ist es amtlich: Nach einem drastischen Einbruch der Ausfuhren im Krisenjahr 2009 verliert Deutschland den Titel des Exportweltmeisters an China.

5.11März 2010
Wie Griechenland helfen?

Die Schuldenkrise Griechenlands beschäftigt weiter die EU. Beide Seiten ringen um Sparmaßnahmen. In Griechenland kommt es immer verstärkter zu Protesten und Streiks.

5.12Mai 2010
Gigantische Summen stützen den Euro und Griechenland

Die Hilfspakete für den Euro und für Griechenland sind geschnürt. Die EU-Staaten stellen Hilfen und Bürgschaften in dreistelliger Milliardenhöhe bereit - allein Deutschland muss weit über 100 Milliarden Euro schultern. In Deutschland passieren die Hilfen alle Genehmigungsverfahren - doch der Erfolg ist noch ungewiss.

5.13Juni 2010
Neue Regeln für die Märkte?

Die Politik macht sich an die Finanzmarktregulierung: In Deutschland nimmt die Regierung Spekulanten ins Visier, indem sie ungedeckten Leerverkäufen gesetzlich einen Riegel vorschieben will. Die EU-Kommission legt Pläne vor, wie Ratingagenturen strenger kontrolliert werden könnten.

5.14August 2010
Mehr Geld für Griechenland

Vermeinlich gute Nachrichten für die Regierung in Athen: EU, EZB und IWF sind mit den bisherigen Reformen zufrieden und geben grünes Licht für die zweite Tranche des Hilfspakets. Doch es gibt natürlich nach wie vor strenge Bedingungen.

5.15September 2010
Grünes Licht für Milliarden-Kürzungen

Rund 80 Milliarden Euro will die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren einsparen - das Kabinett beschließt den Gesetzentwurf für das umstrittene Kürzungspaket. Darin unter anderem enthalten: Hartz-IV-Empfänger bekommen künftig weder Elterngeld noch Beiträge zur Rentenversicherung.

5.16Oktober 2010
Deutschlands größte Bad Bank entsteht

Die Krisenbank Hypo Real Estate (HRE) hat ihre Schrottpapiere in eine Bad Bank ausgelagert - dabei entstand die größte Finanzmüllkippe der Republik. Angesichts eines Abwertungswettlaufs großer Volkswirtschaften mehren sich die Warnungen vor einem Währungskämpfen.

5.17November 2010
Irl
and unter dem Rettungsschirm

Nach langem Zögern entschließt sich die irische Regierung, bei EU und IWF um Milliardenhilfen für den maroden Staatshaushalt zu bitten - der wies zuletzt ein Defizit von 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Gleichzeitig wird ein Sparplan aufgelegt - und die Regierung wackelt.

5.18Februar 2011
Rin
gen um Stabilität des Euro

Was verhilft dem Euro dauerhaft zu mehr Stabilität? Diese Frage treibt das von der Schuldenkrise gebeutelte Europa um. Deutschland und Frankreich schlagen vor, dass die Euro-Staaten ihre Wirtschaftspolitik künftig enger koordinieren. Ein Pakt für Wettbewerbsfähigkeit soll geschlossen werden.

5.19April 2011
Portugal nimmt den Rettungsschirm in anspruch

Portugal beantragt Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm. Die teilverstaatlichte Commerzbank kündigt dagegen an, die Hilfen des Staates binnen zwei Monaten zum größten Teil zurückzuzahlen.

5.20Mai 2011
Sorge um Griechenlands Zukunft

Trotz der Milliardenhilfen der Partnerstaaten ist die Finanzlage Griechenlands bedrohlich. Das Land bittet um mehr Zeit für die Rückzahlung der Schulden, die Kreditwürdigkeit des Landes wird herabgestuft. Doch Staaten der Euro-Zone beteuern, dass ein Ausscheiden des Landes kein Thema sei.

5.21Juni 2011
Ringen um weitere Griechenland-Hilfen

Die Euro-Länder debattieren über die Auszahlung weiterer Griechenland-Hilfen und ein zweites Rettungspaket. Die Regierung in Athen versucht, mit Privatisierungen und zusätzlichen Einsparungen die Haushaltssanierung voranzutreiben. Die Massenproteste gegen die Sparpläne gehen gleichzeitig weiter.

5.22Juli 2011
Neues Geld für Griechenland

Nachdem das griechische Parlament das Sparprogramm gebilligt hat, fließt neues Geld: Die Euro-Finanzminister geben die nächste Kredittranche frei. Auch ein zweites Kreditpaket bekommt grünes Licht. Derweil ist eine Diskussion um die Rolle der Ratingagenturen in der Schuldenkrise entbrannt.

5.23August 2011
Die USA verlieren ihr "AAA"

Die Risikozuschläge für italienische und spanische Staatsanleihen steigen - die Märkte haben Zweifel, ob die Staaten ihre Schulden zurückzahlen können. S & P senkt den Daumen und stuft die Kreditwürdigkeit der USA herab. Die Börsen schließen tagelang mit dicken Minuszeichen.

5.24September 2011
Ringen um den erweiterten Euro-Rettungsschirm

Die Koalition ringt um die eigene Mehrheit für den erweiterten Euro-Rettungsschirm. Das Bundesverfassungsgericht billigt das erste Griechenland-Hilfspaket und den ursprünglichen Euro-Rettungsschirm. Die Schweiz koppelt den Schweizer Franken an den Euro, um die eigene Währung zu schwächen.

5.25Oktober 2011
Schuldenerlass für Griechenland

Der EU-Gipfel verpflichtet die Großbanken zur Aufstockung ihres Kernkapitals. Das soll die Folgen des Schuldenerlasses für Griechenland abfedern, dem die Banken nach langen Verhandlungen zustimmen. Zugleich beschließt der Euro-Gipfel einen Kredithebel zur Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF.

5.26November 2011
Griechenland kündigt Referendum an

Griechenland kündigt eine Referendum über die Sparmaßnahmen an. Muss es jedoch auf Druck aus der EU und den Finanzmärkten wieder zurücknehmen. Die Proteste und Streiks nehmen darauf hin in Griechenland wieder zu.

5.27Dezember 2011
Endspiel um den Euro

Im Kampf gegen die Schuldenkrise in der Eurozone wächst der Druck auf Deutschland, Eurobonds und einer Freigabe des Aufkaufs neuer Staatsanleihen durch die EZB zuzustimmen. Die Bundesregierung drängt auf Änderungen der EU-Verträge hin zu einer Stabilitätsunion.

5.28Januar 2012
Frankreich und der EFSF verlieren das Top-Rating

Die Ratingagentur Standard & Poor's entzieht Frankreich, Österreich und dem EFSF die Bestnote AAA. Die Koalition streitet über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

5.29Februar 2012
Zweites Rettungspaket für Griechenland

Nach zähen Verhandlungen steht das zweite Rettungspaket für Griechenland. Die Euro-Staaten wollen bis zu 130 Milliarden Euro neue Hilfen bereitstellen. Die privaten Gläubiger sollen auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Die Regierung in Athen muss dafür strikte Sparprogramme durchsetzen.







6Internationale Finanzmärkte

[in Arbeit]



7Umgang der Industriestaaten mit Entwicklungsländern am Beispiel Afrika

7.1Hunger und Armut


Neben den Problemen von Armut, Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit, von denen immer mehr Menschen in Europa betroffen sind, dürfen wir nicht die Probleme vergessen, durch die die Menschen in Entwicklungsländern jeden Tag bedroht werden. Mehr als eine Milliarde Menschen und somit ein Siebtel der Weltbevölkerung hungern. D.h. die Erfüllung eines lebensnotwendigen Bedürfnisses wird ihnen verweigert. Jeden Tag sterben so ca. 25 000 Menschen. Durchschnittlich stirbt ein Mensch also alle 3,5 Sekunden an Unterernährung.
Die eigentliche Ursache für Hunger besteht jedoch nicht darin, dass die Welt nicht genügend Nahrungsmittel produzieren könnte, sondern darin, dass viele Menschen sich entweder nicht genügend Essen leisten können oder über kein Geld für Dinge zum eigenen Nahrungsmittelanbau (Saatgut, Erntegeräte etc.) verfügen. Sie sind arm. 2,5 Mrd. Menschen haben pro Tag weniger Geld zur Verfügung als es der Kaufkraft von 2 Dollar in den USA entspräche. Diesen Menschen bleibt so auch weitestgehend der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und allgemein jenen Dingen verwehrt, die zur Verbesserung ihrer Lebenssituation beitragen würden.
Besonders betroffen von Armut ist Afrika. Ein Viertel der Menschen des Kontinents litt 2008 an akutem Hunger. Manche glauben, dass hauptsächlich kriegerische Konflikte und instabile Machtverhältnisse die Menschen dort in ihrer Armut halten. Umstände jedoch, die auch das Ergebnis der europäischen Kolonialverbrechen sind, die den Kontinent und seine Menschen unterwarfen, die Rohstoffe plünderten und Staatsgrenzen willkürlich ohne Rücksicht auf kulturelle, religiöse, stammesgeschichtliche und sprachliche Unterschiede festsetzten, so dass schwere Konflikte und Bürgerkriege vorprogrammiert waren.

7.2Verhängnisvolle Handelspolitik gegenüber Afrika


Neben diesen Konflikten sind es jedoch besonders die ungerechte und teilweise rücksichtslose Handelspolitik der Industrieländer, die den Kontinent nicht aus seiner Armut heraus lassen. Durch westlich dominierte Institutionen wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfond (IWF)26, die in Afrika als Kreditgeber auftreten, wurde den Staaten Afrikas eine Politik des Freihandels aufgenötigt. Sie wurden dazu veranlasst, ihre Grenzen etwa für europäische Produkte zu öffnen und die heimischen Anbieter nicht mehr durch Schutzzölle und Importbeschränkungen vor der hochindustrialisierten und subventionierten Konkurrenz zu bewahren. Besonders dramatisch hat sich diese Entwicklung im Nahrungsmittelbereich ausgewirkt. Europäische Anbieter erhalten hohe Subventionszahlungen von den EU-Staaten und können so den afrikanischen Markt mit ihren künstlich verbilligten Produkten (z. B. Weizen, Milchpulver, Geflügel) überfluten. Die Konsequenzen sind verheerend, da die afrikanischen Landwirte auf diese Weise keine wirtschaftliche Existenz aufbauen können. Das Geld für die Importe aus europäischer Herstellung verlässt den afrikanischen Wirtschaftskreislauf und ist so nicht mehr in der Lage für neue Beschäftigung und den Ausbau eigener wirtschaftlicher Kapazitäten zu sorgen. Neben IWF und Weltbank bemüht sich auch die Europäische Union direkt um Freihandelsverträge (sog. "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen", kurz EPA) mit den einzelnen Staaten Afrikas.
Die Folgen dieser Politik der westlichen Welt gegenüber Afrika sind in mehrfacher Hinsicht schwerwiegend negativ. Anstatt eigene Landwirtschafts- und Industriezweige aufzubauen, bezieht Afrika Produkte aus den Industrie- (Europa, USA) und teilweise Schwellenländern (v. a. China) und bezahlt diese durch seine nicht nachwachsenden Rohstoffe (v. a. Erdöl, Erdgas, Metalle). Anstatt so jedoch Strukturen für die Zukunft zu schaffen und seinen Bevölkerungen Versorgung und Wohlstandszuwachs durch Arbeitsplätze zu ermöglichen, lässt der Kontinent auf lange Sicht nur seine kostbaren Rohstoffe für die Zwecke der Industrie- und Schwellenländer ausbeuten. Des Weiteren bleibt Afrika auf diese Weise sehr abhängig vom Weltmarkt für Nahrungsmittel. Dort kommt es wiederum besonders seit den letzten Jahren zu stark schwankenden Preisen, deren sprunghafter Anstieg dazu führt, dass sich weitere viele Millionen Menschen in den Entwicklungsländer nicht mehr die zum Lebenserhalt nötigsten Nahrungsmittel leisten können. Diese Schwankungen sind zum großen Teil bedingt durch ein besonders zynisches Phänomen jüngerer Zeit: die Spekulation mit Nahrungsmitteln.

7.3Nahrungsmittelspekulation


Ab Oktober 2007 kam es innerhalb von acht Monaten zu einer Verdopplung der Maispreise auf dem Weltmarkt. Da die Preise in der Folgezeit wieder sanken, es jedoch ab Sommer 2010 bis zum Frühjahr 2011 erneut zu einer Verdopplung der Preise kam und sich diese Entwicklungen nicht durch grundlegende Einflüsse wie die verstärkte Nachfrage aus China oder schlechte Ernten erklären lassen, bleibt als naheliegendste Erklärung die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Hierbei kaufen Finanzinvestoren (z. B. die Deutsche Bank27) sog. Agrofutures, d. h. Verträge auf Grundnahrungsmittel, die ihnen eine bestimmte Menge zu einem bestimmten Preis in der Zukunft garantieren. Da diese Zukunftsverträge wiederum die Richtmarke für die aktuellen Preise auf dem Weltmarkt sind, bedeuten derartige Käufe auch einen Preisanstieg für die jetzigen Verbraucher. Es wird also Geldvermögen auf dem Markt für Grundnahrungsmittel "investiert", das die Preise in die Höhe treibt und dazu führt, dass viele arme Menschen dieser Welt, die einen Großteil ihres Einkommens für die Ernährung ausgeben, in die Hungersnot getrieben werden. Dass dies möglich ist, ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass immer mehr überschüssiges Vermögen nach einer lohnenswerten Anlage sucht, zum anderen ist es die Folge politischer Entscheidungen, die seit dem Jahr 2000 erst ermöglicht haben, dass Vermögen im großen Stil auf diese Rohstoffmärkte fließt, die eigentlich nie als Kapitalanlage gedacht waren, sondern lediglich als Absicherungsmöglichkeit für Hersteller (z. B. Bauern) und Abnehmer (Händler).

7.4Landnahme


Mit dem unmoralischen Phänomen des Missbrauchs von Nahrungsmitteln als „Investitionsanlage“ wiederum verbunden ist ein weiteres großes Problem für viele Entwicklungsländer. Aufgrund der steigenden Nahrungsmittelpreise wird die Investition in Ackerflächen zunehmend profitabel. Der Ankauf oder die längerfristige Pachtung (z.T. 50-100 Jahre) von landwirtschaftlich nutzbaren Gebieten in Entwicklungsländern durch Investoren aus Industrieländern erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Eine Studie der International Land Coalition schätzt, dass von 2001 bis 2011 Gebiete in der Größe von ca. 80 Mio. Hektar (Weltbank zählt 57 Mio. Hektar) einem neuen Besitzer übergeben wurden. Diese Fläche (fast 2/3 der Gebiete gehören dabei zu Afrika, 1/4 zu Asien) entspricht der gesamten Ackerfläche von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen. Die unabhängige Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam spricht sogar von einer Fläche von 227 Mio. Hektar mit besonders großer Steigerung in den letzten Jahren (Gesamtfläche der Größe von Nord- und Westeuropa). Eine genaue Zahl kann aufgrund der fehlenden Vergabetransparenz nicht angegeben werden.
Die Investoren erhoffen sich den kostengünstigen Pflanzenanbau für die Erzeugung von Biokraftstoffen, Nahrungsmitteln und Viehfutter. Die Vergabepraxis und Kaufverträge (Pacht) für die Agrarflächen sind meist sehr intransparent, so dass nicht klar ist, ob die Flächen unter Wert vergeben wurden und/oder gar Korruption bei der Übernahmeabwicklung eine Rolle gespielt hat. Man nennt eine Übernahme von Ackerfläche „land grab“, wenn die Ackerfläche auf mehr oder weniger unrechtmäßige Weise einem (meist an der Kaufverhandlung nicht beteiligten) Vorbesitzer abgerungen wurde. Dabei kommt es gerade dadurch zur Enteignung von Kleinbauern, weil aufgrund von instabilen Regierungsverhältnissen häufig keine feste Definition oder zureichende Dokumentation der Besitzrechte existiert. Kleinbauern, deren Besitz sich also nur aus Gewohnheitsrechten ableitet, verlieren so ihre Ernährungs- und Lebensgrundlage, Investoren erhalten offiziell „ungenutztes“ Ackerland.
Die Befürworter des ausländischen Landerwerbs erhoffen sich, dass Investoren in die Infrastruktur bisher unerschlossener Ackerflächen investieren und somit langfristig die Ernährungs- und Lebenssituation der Menschen verbessern. Dies ist jedoch sehr fraglich, da die Investoren sich bisher nur für die bereits qualitativ hochwertigen Ackerflächen mit vergleichsweise guter Infrastruktur interessieren. Des Weiteren könnte der zusätzliche Bedarf an Bewässerung für unerschlossene Ackerflächen die aktuell sehr knappe Wasserversorgung auf Kosten der einheimischen Nahrungsmittelproduktion gefährden. Um also für ausländische Märkte zu produzieren, bedrohen die Investoren die Nahrungsmittelversorgung vor Ort. Hierbei hat die einheimische Bevölkerung noch nicht einmal die Aussicht auf Arbeitsplätze, da die Bewirtschaftung der erworbenen Ackerflächen hauptsächlich unter Einsatz großer Maschinen, die wenig Personal erfordern erfolgt.
Die Weltbank hat ermittelt, dass 80% der erworbenen Ackerflächen bisher nicht bewirtschaftet werden (sog. "land banking"). Fragt man sich, warum die ausländischen Investoren also ihre Ackerflächen häufig nicht nutzen und erinnert sich an die zunehmende Nahrungsmittelspekulation, bleibt zu hoffen, dass hier nicht die Absicht langfristiger künstlicher Verknappung im Spiel ist. Würde der Preis von Nahrungsmitteln aufgrund eines geringeren Anbaus steigen, wäre dies schließlich für diejenigen wünschenswert, die auf diese Weise die "Vermögenswerte" ihrer Rohstofffonds steigern könnten.

7.5Gefangen in unfairen Schulden


Wirtschaftliche Probleme für Afrika resultieren auch aus den finanziellen Forderungen, die von den Industriestaaten an den Kontinent gestellt werden. Als die afrikanischen Länder in den 60er und 70er Jahren zum größten Teil ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, wollten sie ihre Infrastruktur aufbauen und nahmen aufgrund mangelnder eigener Mittel hierzu Kredite der Industriestaaten in Anspruch. Die alten Kolonialherren fanden auf diese Weise eine neue Anlagemöglichkeit für ihr überschüssiges Kapital, das in Anbetracht der allmählich gesättigten heimischen Märkte nach neuen Möglichkeiten suchte, sich zu vermehren. Als in den 80er Jahren die zweite Ölkrise einsetzte, hatte dies schwerwiegende Folgen für viele der verschuldeten Entwicklungsländer. Zum einen stieg der Zinssatz für ihre Schulden dramatisch an, zum anderen importierten die Industriestaaten krisenbedingt weniger Rohstoffe aus vielen Entwicklungsländern, was bei letzteren zu deutlich sinkenden Einnahmen führte bei zugleich erhöhten Ausgaben für verteuerte Ölimporte. Viele Entwicklungsländer konnten den Zinsdienst nicht mehr leisten. Als vermeintliches Heilmittel wurden ihnen dann von IWF und Weltbank sog. „Strukturanpassungsprogramme“ auferlegt, in denen sie u. a. Ausgaben für Bildung und Gesundheit kürzen mussten, ihre Märkte für den Handel mit Industriestaaten zu öffnen hatten (z. B. Zollaufhebung) und staatliche Betriebe an Private verkaufen mussten.28 Diese zukunftsraubenden Programme haben die Schulden jedoch nicht senken können, es wurden lediglich neue Schulden zur Bedienung der alten aufgenommen. Einige Länder Afrikas zahlten auf diese Weise bis heute allein Zinsen, deren Höhe der Höhe der ursprünglichen Schulden entspricht, so dass ständig Gelder aus Afrika herausflossen, ohne dass sich der Schuldenstand bedeutsam verringert hätte. Auch Programme zum Schuldenerlass für die ärmsten Länder (sog. HIPC-Initiative) konnten in vielen Ländern Afrikas bislang wenig ändern, da sie übertrieben hohe Hürden und zweifelhafte Auflagen beinhalten. Um die Entwicklungsländer weltweit aus ihrer Schuldengefangenschaft29 zu entlassen und ihnen somit dringend benötigte Gelder für die Versorgung der Bevölkerung, sowie den Aufbau von Infrastruktur nicht durch weitere Zinsdienste zu entreißen, wird von vielen Organisationen daher ein internationales Insolvenzrecht für Staaten gefordert. Diesem Vorschlag jedoch verweigern die mächtigen Staaten dieser Welt bislang ihre Zustimmung.

7.6Lukrative Waffenexporte


U. a. mit Krediten wurde auch ein weiteres profitträchtiges Geschäftsmodell der Industrieländer gegenüber Entwicklungsländern vorangebracht: der Export von Waffen. Neben dem Tod durch unterlassene Hilfeleistung und Ignoranz, wie er sich jeden Tag für jene Menschen ereignet, die etwa an Hunger oder heilbaren Krankheiten sterben30, werden viele Menschen durch direkten Vorsatz und unter Verwendung auch westlicher Waffentechnik ermordet.
Die größten Waffenexporteure der Welt waren 2010 die USA (6,9 Mrd. $), Russland (6,6 Mrd. $), und Deutschland (3,1 Mrd. $), sowie Frankreich (1,6 Mrd. $) und Großbritannien (1 Mrd. $). Dabei ist insbesondere der Aufstieg Deutschlands zur drittgrößten Waffenexportnation31 bemerkenswert: exportierte Deutschland von 1999-2004 noch Waffen im Gesamtvolumen von 7,7 Mrd. $ hat sich dieser Wert im Zeitraum von 2005-2010 mit 16 Mrd. $ bereits verdoppelt. Dies übersteigt sogar den prozentualen Zuwachs des deutschen Gesamtexports und liegt über dem Zuwachs des Waffenexportes der gesamten Welt (+16%)32. Ein Großteil der Waffenexporte wird hierbei in Regionen in und rund um Afrika entsendet. Während für die USA einer der Hauptkunden für Waffenexporte in den letzten Jahren die Vereinigten Arabischen Emirate waren, beliefert Deutschland bevorzugt auch Südafrika, hat nicht zuletzt aber auch mit der genehmigten Ausfuhr von 200 Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien sein Menschenrechtsinteresse bewiesen.33
Die Waffengattung jedoch, die in gewalttätigen Konfliktgebieten (z.B. bei Bürgerkriegen) am meisten Todesopfer fordert, sind die sogenannten Kleinwaffen. Diese Bezeichnung charakterisiert nicht etwa die Effektivität dieser tödlichen Waffen, sondern die Tatsache, dass sie aufgrund ihrer Größe von einer Person getragen und abgefeuert werden können. Dazu zählen also vor allem Pistolen, Gewehre und Maschinengewehre, aber auch Granaten und Raketenwerfer. Diese Waffen sind leicht zu bedienen, können leicht und ungesehen transportiert werden, sind äußert haltbar und günstig. Die Fortschritte bei der industriellen Massenfertigung von Kleinwaffen zum einen, die gehandelten Abrüstungsgüter nach dem Kalten Krieg zum anderen haben dazu beigetragen, dass die Welt bis heute mit 500 Mio. Kleinwaffen engmaschig überschwemmt wurde. Dabei ist das russische Maschinengewehr AK-47 (auch Kalaschnikow genannt) mit 70 Mio. umlaufenden Exemplaren die in der Welt verbreitetste Kleinwaffe, das G3-Maschinengewehr des deutschen Herstellers Heckler & Koch ist mit 10 Mio. Stück auch sehr beliebt. Das große Angebot hat dazu geführt, dass in Uganda ein AK-47-Gewehr soviel wie ein Huhn, in Angola soviel wie ein Sack Mais, etwa 15 US-Dollar, kostet. Die ständige Verfügbarkeit und Erscheinung führt zu der Etablierung von Waffen im Alltag der Menschen, sodass letztendlich Hemmschwellen zur Waffennutzung immer stärker abgebaut werden. Ökonomische Verteilungskämpfe, bürgerkriegsähnliche Konflikte, Gewalt- und Verlusterfahrungen lassen viele Menschen in eine Spirale der Gewalt versinken, sodass täglich 800 Menschen durch den Einsatz einer Kleinwaffe sterben. Einen unmenschlichen Höhepunkt findet die Verbreitung von Waffen in der Ausbildung von Kindersoldaten. Weltweit werden 300.000 Kinder zum Einsatz als Soldaten gezwungen (unter Androhung von Gewaltanwendung gegenüber der Familie) und mit Waffen ausgestattet, auch mit Waffen aus Europa, den USA und Russland.
Die Kontrolle der Waffenverbreitung wird erheblich durch die häufig betriebene Praxis des Exportes ganzer Waffen- und Munitionsfabriken mitsamt Herstellungslizenzen insbesondere in politisch instabile Gebiete oder deren Nachbarstaaten erschwert bis unmöglich gemacht. Der Importeur wird zum Hersteller der Waffe und ist nicht mehr „greifbar“. Selbst wenn das betroffene Zielland sich während des Verkaufs gerade in einer befriedeten Phase befindet, so kann sich dieser Zustand auch wieder ändern und man hat plötzlich einen brutalen Diktator oder Terroristen bewaffnet oder in die Position eines Waffenhändlers versetzt. Die Deutsche Bundesregierung hat erst 2011 den Verkauf einer modernen Produktionsfabrik für das G36-Maschinengewehr von Heckler & Koch an Saudi-Arabien zugelassen. Dies obwohl in Saudi-Arabien Menschenrechtsverletzungen auf der Tagesordnung stehen und die Hauptfinanzquellen von al-Qaida dort zu finden sind. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich ein Teil dieser Waffen unkontrolliert z.B. im kleinwaffenfreudigen Jemen verbreitet. In ähnlicher Situation sind nach dem Verkauf einer G3-Fabrik in den 70ern an den heute als brandgefährlich geltenden Iran Gewehre im für blutige Massenvertreibungen bekannten Sudan aufgetaucht. Eine Kontrolle der Waffenverbreitung ist offenbar in einem solchen Fall weder möglich noch beabsichtigt.
Genauso wie bei der schädlichen Handelspolitik, der Hunger verursachenden Nahrungsmittelspekulation, der rücksichtslosen Landnahme und der unfairen Schuldenpraxis, zeigen sich viele westliche Industriestaaten, die sich sonst so scheinheilig als Verteidiger der Menschenrechte darstellen, auch im Umgang mit Waffenexporten von ihrer rein profitgetriebenen Seite.

7.7Unmenschliche Flüchtlingspolitik


In Anbetracht der tiefgreifenden Problemlage in Afrika, die von den reichen Staaten dieser Erde geduldet und mitverursacht wird, wundert es nicht, wenn ein Teil der Menschen dort versucht, einem Leben in Leid und Verzweiflung zu entfliehen, um woanders zumindest die Chance auf ein angstfreies Dasein ohne Hunger, Verfolgung und Krieg zu haben. Innerhalb Afrikas gibt es große Migrationsbewegungen, v. a. aus dem Osten (Sudan, Somalia) und Süden in Richtung Norden (u. a. Tunesien, Libyen, Ägypten). Für einen Teil dieser Menschen liegt zwischen Not und Hoffnung hierbei das Mittelmeer, doch Europa ist für diejenigen, die sich sonst nichts vom Leben zu erwarten hätten, ein Zielort geworden, der seine Mauern immer höher gezogen hat.
Zahlreiche EU-Staaten haben Rückführungsabkommen mit afrikanischen Ländern, die Ausgangsort oder Transitland für die Flucht von Menschen nach Europa sind. EU-Staaten paktierten hierbei auch mit Diktatoren wie Gaddafi (Libyen) und Ben Ali (Tunesien), um Flüchtlinge bereits in diesen Ländern abzufangen oder ihre problemlose Abschiebung dorthin zu ermöglichen. Viele Flüchtlinge versuchen auch weiterhin das Mittelmeer zu überqueren mit schrottreifen Schiffen und Schlauchbooten, geplagt von Hunger und Durst. Werden sie von afrikanischen oder europäischen Grenzpatrouillen entdeckt, zwingt man sie zum Umkehren. Viele tausend Menschen haben auf diese Weise bereits ihr Leben gelassen. Wer es dennoch schafft und sich bis auf europäisches Territorium durchschlägt, wird in oft heruntergekommene, überfüllte Abschiebelager verfrachtet und erhält häufig nicht einmal die Chance einen Asylantrag zu stellen. Zwangsrückführungen, verschärfte Asylgesetze, ein europaweites System von Abschiebelagern34 und Lager in den Fluchtländern selbst, technisch hochgerüstete Spezialeinheiten zur Überwachung (Frontex) und zum Soforteinsatz gegen Flüchtlinge (u. a. Rapid Boarder Intervention Teams, kurz: RABITs) sollen Europa unerreichbar werden lassen für einen großen Teil der entrechteten Menschen dieser Welt. Europa schottet sich mit seinem Reichtum ab, aus den ärmsten Ländern werden Menschen nur unter Gesichtspunkten ihrer Wirtschaftlichkeit geduldet. Diese Politik bestimmt die Grenzen von Mitleid und Menschlichkeit anhand des Personalausweises, nicht anhand der lebensbedrohlichen Not, in die ein jeder Mensch bereits mit seiner Geburt geraten kann. Wäre Europa zeitweise in der Situation Afrikas, würde es sicherlich ein anderes Verhalten an den Tag legen, als jenes, das entweder die konzerngetriebene Geschäftemacherei oder wohlstandsbürgerliche Gleichgültigkeit zum obersten Berater im Umgang mit jenem ärmsten Kontinent der Welt gemacht hat.

Abbildung: In Havarie geratenes Flüchtlingsboot auf dem
Weg von Libyen nach Italien.

7.8Quellen:


Welthunger:
- The State of Food Insecurity in the World 2009, FAO, ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/012/i0876e/i0876e.pdf

Handelspolitik gegenüber Entwicklungsländern:
- Ein Wirtschaftswachstum, das den Armen nicht hilft, Atlas der Globalisierung, Le Monde diplomatique/taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, S. 132.
- Freihandel macht hungrig, Le Monde diplomatique vom 13.1.2012
- Soziale Proteste aus Notwehr, Atlas der Globalisierung, Le Monde diplomatique/taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, S. 134.
- http://www.bpb.de/files/RDDZ9A.pdf

Nahrungsmittelspekulation:
- Die Hungermacher, Tagesspiegel vom 23.10.2011,
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/rohstoff-spekulanten-die-hungermacher/5442222.html
- http://www.oxfam.de/mahlzeit/spekulation
- Unschuldsmythen - Wie die Nahrungsmittelspekulation den Hunger anheizt, Misereor,
http://www.misereor.de/fileadmin/redaktion/Analyse_Nahrungsmittelspekulation_111005.pdf

Landnahme:
- Land and Power - The growing scandal surrounding the new wave of investments in land, Oxfam,
http://www.oxfam.org/en/grow/policy/land-and-power
- Neuer „Landraub“ in Afrika?, German Institute of Global and Area Studies, 2011 http://www.frient.de/publikationen-service/dokumente/library/neuer-landraub-in-afrika.html
- When others are grabbing their land, The Economist vom 5.5.2011

Schulden:
- Alte Schulden, neues Geld, Atlas der Globalisierung, Le Monde diplomatique/taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, S. 162.

Waffenexporte:
- The SIPRI Top 100 arms-producing companies, 2006, Appendix 6A, Stockholm International Peace Research Institute, http://www.sipri.org/yearbook/2008/files/SIPRIYB0806A.pdf
- Die weltweite Flut der Kleinwaffen – Tödliche Geschäfte, UNICEF, http://www.unicef.de/download/i_0068_kleinwaffen.pdf

Flüchtlingspolitik:
- Auswandern - aber wohin?, Atlas der Globalisierung, Le Monde diplomatique/taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, S. 136.
- Eine Mauer für Europa, Blätter für deutsche und internationale Politik, Februar 2011,
http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2011/februar/eine-mauer-fuer-europa
- Ertrunken vor Marina di Palma, der Freitag vom 28.10.2010
- http://www.proasyl.de



8Lösungsansätze

[in Arbeit]



9Wörterbuch Newspeak-Neoliberal

[teilweise in Arbeit]
„Es gehört zum heillosen Zustand, dass auch der ehrlichste Reformer, der in abgegriffener Sprache die Neuerung empfiehlt, durch Übernahme des eingeschliffenen Kategorienapparats und der dahinterstehenden schlechten Philosophie, die Macht des bestehenden verstärkt, die er brechen möchte.“35
Um das zu verhindern ist hier eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten Newspeak[36]-Wörter des Neoliberalismus.
Newspeak (engl. „Neusprache“) besteht aus „Tarnwörtern“, mit denen die Interessen der Wohlhabenden gegen die Interessen der breiten Bevölkerungsmehrheit in brutaler Weise durchgesetzt werden. Newspeak soll die Wahrheit verschleiern und das Denken lenken.
„Frames“37 sind Bedeutungsrahmen, die unbewusst die Wahrnehmung eines Sachverhalts bestimmen. Wer sich darauf einlässt (oder darauf hereinfällt), einen Sachverhalt in einem Frame des politischen Gegners zu diskutieren, könnte genau so gut Werbung für dessen Werte und Positionen machen.
Gekonnter Einsatz von Frames vermag sogar die Wahrnehmung und Bewertung von Sachverhalten in ihr genaues Gegenteil zu verdrehen38 (z.B Krieg ist Frieden oder alternativ: Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt).
Quellen:
www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/120110_neoliberal_2012.pdf
http://www.nachdenkseiten.de/?p=11060 Kampagnen der Arbeitgeber, die auf Sprache zielen
„Falschwörterbuch der Sozialreformen“, Theaterintendant Ivan Nagel
Newspeak
Frame, der beim naiven Hörer aufgerufen wird
Übersetzung - Klartext
abgehängtes Prekariat
Das Leben ist ein Wettlauf – jeder kämpft gegen jeden – und wer zu langsam ist, den beißen die Hunde.

Agenda 2010
Das ist wichtig, weil wir sonst nicht da wären wo wir jetzt sind.
Kürzung der Rente, Kürzung des Arbeitslosengeldes, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Praxisgebühr, Selbstbeteiligung an den Arzneimittelkosten, Senkung der Steuern für Wohlhabende, Abschaffung der Vermögenssteuer, Abschaffung der Besteuerung der Veräußerung von Firmenanteilen. Mittel zur indirekten Senkung der Löhne bzw. Lohnstückkosten.
Agenda 2020
???
Agenda 2010 zum Quadrat. Das heißt: Griechische Verhältnisse in ganz Europa.
Alternativlos
Da kann man nichts machen. Es gibt objektive Zwänge. Es ist unausweichlich.
„Objektiv notwendig“, „zwingend notwendig“, „alternativlos“, damit bestreitet man, dass es eine demokratische Alternative gibt. Man verleiht politischen Entscheidungen den Charakter einer „Naturgesetzlichkeit“. Schon Carl Popper hat lang und breit bewiesen, dass politische Entscheidungen nie objektiv sein können, weil Geschichte von Menschen gemacht wird. Man nimmt den Menschen die Freiheit der Entscheidung und verbarrikadiert seine Politik gegen Mehrheitsmeinungen.
Arbeit macht frei

Toraufschrift an vielen Konzentrationslagern während der Zeit des Nationalsozialismus. Enge Verwandtschaft mit „Sozial ist, wer Arbeit schafft“
Arbeitnehmer entlasten, Millionäre belasten (mit Steuern)
Steuern sind eine Belastung und Strafe
Nur ein magersüchtiger Nachtwächter-Staat ist ein guter Staat. Der Sozial-Staat wird abgeschafft.
Arbeitsmarkt
Da bekomme ich Arbeit.
Menschenmarkt
Atypische Beschäftigung
???
Abbau des Normalarbeitsverhältnisses, Arbeit an sieben Tagen in der Woche Arbeit rund um die Uhr, zu nicht tarifgebundenen Löhnen
Autonomie im Hochschulbereich

autokratische Herrschaft durch die Hochschulleitungen unter Ausschaltung der Selbstverwaltung und der Mitbestimmung
Betriebliche Bündnisse

Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie
Blockierer, Ewiggestrige, Gutmenschen


Deregulierung


Eigeninitiative
Ich nehme mein Leben selbst in die Hand.
Zerschlagung der solidarischen Sicherungssysteme
Eigenverantwortung
Ich gestalte mein Leben wie ich es für richtig halte.
Zerschlagung der solidarischen Sicherungssysteme
Facharbeitermangel

Propaganda. Gäbe es einen Facharbeitermangel, dann wären die Löhne massiv gestiegen. Sind sie aber nicht.
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
???
Gemeint ist die Flexibilisierung des „Arbeitnehmers“. (lat. flectere: biegen, beugen). Abbau von über ein Jahrhundert erkämpfte Sozialstandards und der Arbeitnehmerrechte, Abbau des Kündigungsschutzes, Leiharbeit, Mini-Jobs, Niedriglöhne, Senkung der Einnahmen der Sozialversicherungen, Verschlechterung der Rente (Riester-Betrug), Verschlechterung der Krankenversorgung, Verschlechterung der Bezüge bei Arbeitslosigkeit. (Hartz 4)
Freiheit
Bilder von Urlaub und Freizeit
Wirtschaftsfreiheit uneingeschränkte Freiheit des Unternehmers Freiheit von Mitbestimmung Freiheit von Unternehmer-Verantwortung Freiheit der Politik von Teilhabe durch den Souverän - das Volk „Durchregieren“ gegen die Bevölkerung – mit Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstock – S21 eben.
geistig moralischen Wende


Gesundheitsprämie


Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM)


Internationale Wettbewerbsfähigkeit

Niederkonkurrieren der anderen Länder durch Lohn- oder Steuersenkung, Verlagerung von Arbeitslosigkeit in andere Länder
(Das) Land fit machen für die Zukunft


Links (politische Position)
Nicht rechts (also Unrecht). Böswillig.
Es war eine propagandistisch- sprachliche Meisterleistung der „Rechten“ sich selbst als Rechts zu bezeichnen und die anderen als „Links“, denn links ist schlecht und rechts ist gut:
Die deutsche Sprache kennt eine linke Tour, jemanden linken, sinistre Gesellen (lateinisch links, Unglück verheißend, böse, böswillig), linkisches Verhalten und Unrecht (als Negation von Recht(s) – also links). – Im Gegensatz dazu ist „rechts“ vordergründig ausschließlich positiv besetzt: Recht haben, rechtschaffen sein und aufrecht, Gerechtigkeit, Rechtsstaat, Recht und Ordnung.
Lohn-Nebenkosten senken
Jetzt bekomme ich mehr vom Lohn.
Löhne senken. Die Senkung der „Lohnnebenkosten“ war ein zentrales Projekt der neoliberalen Ideologie. Kein Unternehmen unterscheidet in seiner Kostenrechnung zwischen Lohn- und Lohnnebenkosten. Es unterscheidet die Kosten für die Ressourcen, für das Kapital und für den Faktor Arbeit. Mit der Senkung der „Lohnnebenkosten“ werden ausschließlich die Kosten für die Unternehmen gesenkt und den Arbeitnehmern allein aufgebürdet. „Lohnnebenkosten“ sind nichts anderes als von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch aufgebrachtes Geld für Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige. Würde man das offen sagen, dann würde sich die Wahrnehmung schlagartig ändern. Mit der Senkung der „Lohnnebenkosten“ zum Erhalt der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ werden den Arbeitnehmern Kosten aufgebürdet, die die Unternehmen nicht mehr zahlen wollen und gleichzeitig werden die Löhne nicht mehr erhöht oder gar gekürzt.
(die) Märkte

Wann immer in den Medien von den „Märkten“39 und ihrer Befindlichkeit berichtet wird, sind die reichen und mächtigen 1% gemeint, die in unserer marktkonformen40 Demokratie das Sagen haben.
Modernisierung oder Umbau des Sozialstaats

„Abbau“ des Sozialen
Oberschicht , Unterschicht


Parasit

Wolfgang Clement, von 2002 bis 2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bezeichnet in der Veröffentlichung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit „Ein Report vom Arbeitsmarkt im Sommer 2005“ Arbeitslose als Parasiten und Schmarotzer. Diese Begriffe fanden auch häufig Verwendung in der Sprache des Nationalsozialismus z.B. in dem Hetzblatt „Der Stürmer“ (Springer Verlag41)
Personal-Service-Agentur


Privatisierung


Reform, Struktur-Reformen
Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden
Sozialabbau, Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabende, Deregulierung. Heute müssen die Bürgerinnen und Bürger die Ankündigung einer Reform als Bedrohung empfinden. Sie haben erfahren: „Reform“ steht für Sozialabbau, „Reformen“ wurden zur Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabenden missbraucht, sie haben zu einer Umverteilung von unten nach oben geführt. Reformen werden oft verbunden mit Deregulierung, Eigenverantwortung oder Privatisierung.
Schluck aus der Lohnpulle
Lohn ist Alkohol. Wer mehr Lohn verlangt ist ein Alkoholiker.

Schmarotzer
siehe Parasit
im wörtlichen Sinne: Ein Totschlagargument
Shareholder Value

es geht um nichts anderes als den Value, also den Wert der Aktien (share) im Interesse der Aktionäre (shareholder) zu steigern
Sozial ist, was Arbeit schafft

Ähnelt verblüffend dem Hugenberg/DNVP-Spruch „Sozial ist, wer Arbeit schafft“. Der Pressemogul Alfred Hugenberg war der bedeutendste bürgerliche Förderer Hitlers. „Sozial ist, was Arbeit schafft“ wurde ausgearbeitet vom Industrielobbyisten-Verband INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) und von allen neoliberalen Parteien in D verwendet.
soziale Hängematte


Sozial Schwache

Selbst Sozialdemokraten sagen oft: Gespart wird bei den „sozial Schwachen“. Das ist gut gemeint, aber wenn man den Bedeutungsrahmen betrachtet, dann sagt man, wer sozial schlecht da steht, ist schwach. Diejenigen die ökonomisch gut da stehen, sind die Starken und eigene Stärke ist eben ein zentraler Wert im konservativen Glaubenssystem. Denn Stärke entwickelt nach diesem Dogma keiner, dem man unter die Arme greift. Zu viel Hilfe ist deshalb geradezu unmoralisch. Ökonomische Not wird so als eine Frage mangelnder Selbstdisziplin begriffen.(Quelle: Lakoff, Wehling)
Starve the beast“ (Hungert die Bestie (Staat) aus)


Systemrelevant

Der Begriff soll das systematische Versagen der Politik, der Wirtschaftswissenschaften oder der Medien vor Ausbruch der Finanzkrise verdecken und die Staatshilfen auf Kosten des Steuerzahlers tarnen.
Überalterung der Gesellschaft

eines der Schlagworte mit denen das System der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente zerschlagen wurde und zur Grundsicherung umgewandelt wurde, die durch eine kapitalgedeckte private Vorsorge ergänzt werden soll. Die an und für sich erfreuliche Tatsache, dass Menschen eine höhere Lebenserwartung haben, bekommt mit „Über“-Alterung einen negativen Beigeschmack des A-Normalen, und dieses „Überwuchern“ muss durch den „Umbau“ der Sozialsysteme zurückgeschnitten werden.
Umbau des Sozialstaats

Abbau des Sozialstaats und die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme ausschließlich zu Lasten der Versicherten und zu Gunsten der Versicherungskonzerne.
Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Bewährtes Rezept aus der Mottenkiste der Wirtschaftsideologie der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem schon Ronald Reagan den amerikanischen Haushalt und die Wirtschaft dazu an die Wand gefahren hat. Die Theorie dazu (Laffer Kurve) erblickte das Licht der Welt auf einer Serviette in einem Washingtoner Restaurant.
zurückhaltende Lohnpolitik

flächendeckende Lohnkürzungen oder Nullrunden




10Generelle Systemkritik

Der Kapitalismus hat den Sieg davongetragen. Fragt sich nur: Wohin?“Volker Pispers



Kaum anders als der Kapitalismus selbst hat die Kapitalismuskritik eine mittlerweile mehr als 200jährige Geschichte. Die Kritik äußert sich an einzelnen Elementen des Kapitalismus wie Geld- und Zinswirtschaft, Privateigentum an Produktionsmitteln und Profitmaximierung sowie den ihnen zugeschriebenen Konsequenzen wie Ausbeutung und Verelendung der Menschen oder die Zerstörung des Planeten. Häufig hält sie den Kapitalismus und die ihm zugerechneten Herrschaftsverhältnisse für prinzipiell unreformierbar.





Im folgenden soll ein kleiner Überblick über verschiedene kapitalismuskritische Strömungen gegeben werden:



Nach Edward Palmer Thompson können bereits die so genannten „Maschinenstürmer“ kapitalismuskritischen Strömungen zugerechnet werden. Mit der Veränderung der Arbeitswelt durch die Industrialisierung kam es vor allem in England, aber auch in anderen europäischen Ländern, zu Arbeiterbewegungen, deren Zielsetzung die Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen darstellte. Dazu gehörte unter anderem die Zerstörung von Maschinen wie auch der Zusammenschluss zu organisierten Interessenvertretungen als Vorläufern der modernen Gewerkschaften.



Mit der zunehmenden Globalisierung der Waren- und Finanzströme nach dem Zusammenbruch des Ostblocks formieren sich die kritischen Stimmen in vielfältigen globalisierungskritischen Bewegungen und Netzwerken. Träger der Globalisierungskritik sind eine Vielzahl unterschiedlicher Organisation Attac, freie Träger aller Art und Einzelpersonen wie Noam Chomsky, Arundhati Roy, Jean Ziegler oder Naomi Klein. Die Positionen, die Globalisierung vollständig ablehnen und die globale Verflechtung reduzieren wollen, werden als Globalisierungsgegner bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist eine Globalisierungskritik im engeren Sinn, die sich beispielsweise gegen den Neoliberalismus richtet und für eine andere Globalisierung eintritt. Im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in den Medien werden die Globalisierungskritiker teilweise unzutreffend als Globalisierungsgegner bezeichnet. Im Zentrum der Kritik stehen die Deregulierung und der damit verbundene Abbau sozialer Rechte sowie die allumfassende Kommerzialisierung und Vermarktung durch Privatisierung.



Der Anarchismus geht davon aus, dass mit dem Kapitalismus Herrschaft von Menschen über Menschen verbunden ist, aufgrund dessen sie ihn grundsätzlich ablehnen. Der Kapitalismus bedarf in ihren Augen eines Wohlstands- und Machtgefälles innerhalb der Gesellschaft, um zu funktionieren. Anhänger des kommunistischen Anarchismus fordern einen vollständigen Bruch mit dem Kapitalismus und die Abschaffung des Geldes. Die direkte Entlohnung soll ersetzt werden durch den freien Zugang zum gemeinsamen Arbeitsprodukt. Peter Kropotkin, als einer der bedeutendsten Theoretiker des kommunistischen Anarchismus, wendet sich gegen den ökonomischen Wert im Allgemeinen; sei es Geld, Arbeit oder Ware. Er sieht das Privateigentum als Grund für Unterdrückung und Ausbeutung und schlägt stattdessen eine umfassende Kollektivierung vor. Individualistische Anarchisten definieren Kapitalismus als eine Marktwirtschaft, in der sich privilegierte Gruppen mit Hilfe von staatlichen Interventionen auf Kosten der übrigen Gesellschaft bereichern und dadurch zu Reichtum gelangen. Im Kapitalismus würden Gruppen derjenigen, die großen Einfluss auf den Staat besäßen, mit Hilfe des Staates Rahmenbedingungen schaffen, die ihnen einen wirtschaftlichen Gewinn verschafften. Die sich aus dem geschaffenen Rahmen ergebenen Kosten sowie die Kosten zu Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen würden dabei zu einem großen Teil auf andere Gesellschaftsmitglieder abgewälzt. Jedes Übel des Kapitalismus werde so durch staatliche Eingriffe erzeugt. Kritisiert wird die schädliche Partnerschaft zwischen Staat und Großunternehmen, wobei der Staat zugunsten einflussreicher Unternehmen oder Organisationen interveniert (wie z. B. bei der Militärindustrie, im Bank- und Versicherungswesen oder im Pharmabereich) und diesbezügliche Privilegien und Monopole, unter anderem Geld-, Boden-, Zoll- und Patentmonopole.



Karl Marx und Friedrich Engels beschreiben die kapitalistische Gesellschaft als Gesellschaft des Elends, der Ausbeutung und der Entfremdung. Das Manifest der Kommunistischen Partei von 1848 sieht Globalisierung, Internationalisierung und Verstädterung als positiv an. Es enthält aber die grundsätzliche Aufforderung, den Kapitalismus durch den Sozialismus bzw. Kommunismus abzulösen, um die Missstände zu beseitigen. Der Marxismus ist eine einflussreiche politische, wissenschaftliche und ideengeschichtliche Strömung, die sowohl dem Sozialismus als auch dem Kommunismus zugerechnet wird. Als Marxisten werden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Anhänger von Karl Marx und Friedrich Engels bezeichnet. Im weiteren Sinne ist Marxismus eine Sammelbezeichnung für die von Marx und Engels entwickelte Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie sowie für damit verbundene philosophische und politische Ansichten. Auch Personen und Denkrichtungen, die in spezifischer Weise an das Werk von Marx und Engels anschließen, werden zum Marxismus gerechnet.



Die gewerkschaftlichen Ansätze der Kapitalismuskritik beziehen sich in der Regel auf die sozialistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Allerdings sind die Schlussfolgerungen und Forderungen aus gewerkschaftlicher Perspektive eher auf eine reformistische Umsetzung einer gerechten Gesellschaft bedacht. Kapitalismuskritische Ansätze syndikalistischer und sozialistischer Gewerkschafter propagieren hingegen die Aneignung von Produktionsmitteln durch die Gewerkschaften, die dann auch an Stelle politischer Stellvertreter die Verwaltung organisieren. Ausreichende Stärke um revolutionäre gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen zu können, hatten sie beispielsweise im Spanischen Bürgerkrieg.



Seit einigen Jahren wird der Kapitalismus bzw. der dabei gleichgesetzte Industrialismus auch verschiedentlich aus der Perspektive der Politischen Ökologie kritisiert. Marxistisch orientierte Politologen und Sozialwissenschaftler wie Elmar Altvater und Athanasios Karathanassis kritisieren den Kapitalismus und das ihrer Meinung dazugehörige Wirtschaftswachstum als nicht nachhaltig. Altvater hält das Globale Ölfördermaximum für ein Vorzeichen des Ende des Kapitalismus.

1 1999: 40,2 %; 2010: 36,9 %, Quelle: Monatsbericht des Bundesministeriums für Finanzen, März 2011, S. 88
2 2000: 72,4%; 2008: 65,4%, Quelle: WSI-Verteilungsbericht 2010
3 So wurde z. B. der Körperschaftssteuersatz von 40% (2000) auf zuletzt 15% (2008) gesenkt und die Vermögenssteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben.
4Menschenverachtender rendite-orientierter Umgang mit Patienten http://notruf113.org/filmbeitrage.html
5Ganz besonders christlich (im Sinne der CDU) ist die Streichung des Blindengeldes im “Sparpaket”, http://www.abendblatt.de/region/article1719926/55-000-Unterschriften-gegen-Blindengeld-Kuerzung.html
6“Das Riester-Dilemma - Die Riester-Lüge - ARD Reportage 09.01.2012”, youtube.com
7Trickle-down-Theorie bzw. Pferdeäpfel-Theorie
„Zu den [...]Reformvorschlägen des IZA für den deutschen Arbeitsmarkt zählen das Workfare-Konzept[3] als Alternative zum Kombilohn-Modell, die Ablehnung der flächendeckenden Einführung von Mindestlöhnen, flexiblere (längere) Arbeitszeiten, die Lockerung des Kündigungsschutzes sowie die Anhebung des Renteneintrittsalters.
10Laut einer Meldung des Magazins Focus[4] präsentierte der IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik Hilmar Schneider auf einer Tagung den Vorschlag einer „Arbeitslosen-Auktion“, bei der Unternehmen Arbeitskraft ersteigern können.“
11http://de.wikipedia.org/wiki/Monetarismus. Das Funktionieren des Monetarismus wurde von Milton Friedmann und seinen Chicago Boys experimentell in enger Zusammenarbeit mit der Pinochet Regierung in Chile erprobt. Als Folge verarmte die Mehrheit der Bevölkerung und die Profite der Unternehmen entwickelten sich prächtig. Gewerkschafter und andere Oppositionelle „verschwanden“ für immer, bzw. wurden gefoltert und hingerichtet. Der Diktator Pinochet wurde von Franz Josef Strauß (CSU) und der CDU (Generalsekretär Bruno Heck) hoch gelobt. Bestimmte „elitäre“ Kreise wünschen sich aktuell auch hier „Ein klein wenig Diktatur“. Postdemokratische Experimente in dieser Richtung sind u.a. Agenda 2010, Riester-Rente, S21 und andere Formen des „Durchregierens“ (Gegen den Willen der Mehrheit). Neoliberale Thinktanks wie Bertelsmann-Stiftung, INSM und eine Heerschar von Werbeagenturen helfen dabei.
14Auch bekannt als Angela M.
15Ergebnisse der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung für Deutschland. 2005 bis 2010. September 2011. http://www.bundesbank.de/download/statistik/stat_sonder/statso4.pdf
23 moderner Feudalismus http://www.meudalismus.dr-wo.de/
24Der Rechenfehler der Schuldenbremser, Walter Schachermayer
26Welcher an der Seite der EU nun mit seinem neoliberalen Programm der Lohn- und Sozialkürzung, Deregulierung, Privatisierung und des Staatsabbaus auch auf Griechenland losgelassen wurde. Geht dies so weiter, ist fraglich, ob mehr als ein Entwicklungsland vom europäischen Mitgliedsland übrig bleiben wird.
27Die Deutsche Bank hat z. B. mit ihrem sog. "Deutsche Bank Liquid Commodity Index" einen Fonds, also eine Sammelstelle für Geld aufgelegt, die zu einem großen Teil auch Zukunftsverträge auf landwirtschaftliche Produkte kauft.
28Dies sind die bekannten Zauberformeln des weltbeherrschenden Neoliberalismus, der während jener Jahre politisch und institutionell in Mode kam und heutzutage trotz seiner Mittäterschaft an der Finanzkrise eine erneute „Blütezeit“ erlebt.
29Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), sowie zahlreiche Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass es sich bei vielen der Schulden um sog. „odious debts“ handelt, die aufgrund ihrer unmoralischen Entstehung (= nicht demokratisch legitimierte, zur Unterdrückung der Bevölkerung genutzte Kreditgelder) als unrechtmäßig zu kennzeichnen sind und die Gläubiger daher auf eine Rückzahlung zu verzichten hätten.
30Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, spricht von Mord.
31Die größten Waffenhersteller in Deutschland sind Rheinmetall Defense, Thyssen-Krupp Marine Systems (inkl. HDW) und Diehl Defense
32Hier kann die Frage aufgeworfen werden, ob diese „beeindruckenden“ Steigerungen von einem moralischen Wandel der zuständigen Genehmigungsbehörden begleitet wurden (Regierungszeit von schwarz-rot und schwarz-gelb).
33http://www.campact.de/waffen/info/5min
34Für eine Übersicht in Deutschland siehe: http://www.proasyl.de/de/themen/abschiebung/abschiebungshaft/
35Dialektik der Aufklärung, Max Horkheimer, Theodor Adorno
36„1984“, George Orwell
37„Auf leisen Sohlen ins Gehirn: Politische Sprache und ihre heimliche Macht“, George Lakoff, Elisabeth Wehling
38http://de.wikipedia.org/wiki/Spin-Doctor Ein „Spin-Doctor“ versieht Ereignisse „mit dem richtigen Dreh (engl. spin), indem er für eine manipulierte Darstellung in den Medien sorgt
39http://www.taz.de/!95632/ Märkte verschieben Untergang
40laut Frau Merkel
41Es hätte so schön gepasst – aber es war der Stürmer-Verlag

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